Ein kalter Angeltag

Der kalte Frühlingswind fuhr durch meine Blätter und ließ mich erzittern, während ich durch meine kahlen Äste auf den sandigen Boden des Sees blickte. Das kalte Wasser schwappte über den Strand und allein der Anblick des eiskalten Nass ließ mich erschaudern. Bei dem Wetter war es kein Wunder, dass die Menschen lieber in ihren Häusern blieben als etwas frische Luft zu schnappen. Ich selbst würde mich zugegebenermaßen auch gerne an eine Heizung kuscheln, obwohl die Kälte mir lange nicht so viel ausmachte wie den Menschen. Doch gerade als ich die Augen für ein kleines Nickerchen schließen wollte, hörte ich einsame Schritte durch den Sand stapfen. Neugierig sah ich auf und mein Blick fiel auf einen älteren Mann mit wettergegerbtem Gesicht und einen Jungen der mit vor Aufregung (oder Kälte?) geröteten Wangen neben ihm herlief. Braune Haare quollen unter seiner blauen Pudelmütze hervor und fielen in sein molliges Gesicht, während er den Mann mit Fragen zu bombardieren schien. Dieser grinste aber nur, während er mit erfahrenem Blick den See musterte, eine große Tasche über der Schulter. Der Wind trug ihre Stimmen zu mir und ich hörte interessiert zu, was sie beredeten, obwohl man sagen musste, dass der Junge den größten Teil des Gespräches übernahm.
„Sind wir schon da? Wie wäre es mit hier, hier ist doch ein schöner Platz, oder? Komm schon, wie lange dauert es noch, es ist ganz kalt. Bist du dir sicher dass es schon warm genug ist, meine Nase läuft ganz doll! Was wenn ich morgen nicht in die Schule kann? Dann ist Nika bestimmt traurig! Wann sind wir endlich da-a?“ quängelte der Junge und ich musste mir ein Lachen verkneifen, als der Mann knapp antwortete, mit einer rauen, angenehm warmen Stimme. Er erinnerte mich ein wenig an einen kleinen Jungen der vor ein paar Jahren – oder waren es Jahrzehnte? – hier das Angeln gelernt hatte. Er hatte sich allerdings ziemlich dumm angestellt. Ich wollte kichern als ich daran zurückdachte, wie er versucht hatte mit der Angel auszuholen, die sein Vater ihm gegeben hatte und über seine eigenen Füße stolperte, um danach in den See zu fallen. Er hatte gezittert wie Espenlaub als sein Vater ihn lachend aus dem Wasser gezogen hatte und ihn kichernd damit aufzog.
Diesmal schien der Kleine genauso untalentiert zu sein, doch er war trotzdem äußerst niedlich. „Sind wir jetzt da, ich glaube hier gibt es viele Fische Opa, da wird es bestimmt ganz einfach!“ quäkte der Junge aufgeregt. Sein Großvater nickte nur lächelnd, er freute sich schon darauf mehr Zeit mit seinem Enkel zu verbringen.
„Gut Kleiner, komm mal her. Zuerst zeige ich dir mal, welche Köder wir haben, dann wirst du selber einen auf einen Haken stecken und vielleicht kommen wir danach sogar noch dazu das auswerfen der Leine zu üben“ grinste der Mann freundlich. Ich beobachtete gelanweilt, wie er seinem Enkel allerlei Köder erklärte und anschließend noch einen Vortrag über die unterschiedlichen Hakenarten hielt. Meine Äste hingen gelangweilt herab, während die Euphorie des Jungen langsam ins Stocken kam. Ich lächelte müde, ich hatte mich wohl in dem Opa getäuscht, er war vielleicht doch nicht so toll, wie vermutet.
Doch nach einer scheinbar unendlichen Littanei von Ködern, Haken und anderem, für mich unrelevantem Zeugs begann der Ausdruck des Mannes sich zu ändern, ein verspieltes Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. Ich sah hoffnungsvoll auf, viellecht war der Tag nicht ganz umsonst gewesen!
Der Großvater begann, dem Jungen eine kleine Angel zu erklären und die Augen des Kleinen leuchteten aufgeregt, als er die Angel in die Hand nahm und versuchte, sie auszuwerfen. Sein Wurf ging daneben und er stolperte unsicher über seine kleinen Füße, um danach in den kalten Sand zu fallen. Der Alte verkniff sich ein Kichern, während er den Jungen auf die Beine stellte und ihm den Sand von den Schultern klopfte. „Das war fürs erste Mal ganz gut, ich bin damals sogar in den See gefallen und mein Vater musste mich herausfischen!“grinste der Mann und ein kehliges Lachen entkam ihm, bei der Erinnerung. Auch der Junge lachte bei dem Gedanken, wie sein Opa im eiskalten See lag und von seinem Vater herausgefischt wurde . In seiner Vorstellung hatte er sogar einen kleinen Fisch verschluckt. „Versuch’s noch mal und halt diesmal die Angel höher, verstanden Kleiner?“ fragte er und der Junge nickte eifrig und versuchte es sogleich nochmal, diesmal war es sogar etwas besser.
Glaube ich zumindest, ich verstehe nicht allzu viel vom Angel, ist nicht so ganz mein Gebiet.
So ging es eine ganze Weile weiter, bis die Sonne über dem Horizont lag, dazu bereit dahinter zu verschwinden. In der Zwischenzeit hatten Opa und Enkel weiter geübt und immer wieder Witze gerissen oder sich gegenseitig geärgert. Doch nun packte sein Großvater die Angelsachen zusammen und ignorierte dabei das Flehen seines Enkels, dass sie doch noch etwas länger bleiben könnten, es würde seiner Mama bestimmt nichts ausmachen und es machte doch so viel Spaß! Der Mann blieb aber wiederstandsfähig und nahm den Jungen an die Hand, während sie den Strand entlang zurückgingen
„Können wir morgen wieder herkommen, bitte! Ich mache auch alle meine Hausaufgaben ganz schnell, dann bin ich um zwei Uhr fertig, dann können wir noch länger angeln, vielleicht fangen wir sogar etwas!“ rief der Junge fröhlich aus. Sein Großvater nickte nur, er war zugegeben sehr erschöpft.